In einem alten Fabrikgebäude und nicht, wie erwartet, in einem modernen Neubau werden in Deutschland die Commodore- Computer gebaut. Die Leute, die hier arbeiten sagen, das Gebäude hat elektrische Tradition; bevor hier Computer montiert wurden, war hier eine Fabrik, die elektrische Prüfgeräte herstellte.Aus dem Braunschweiger Werk kommen: die Mikrocomputer 8296 und 8296 d, der VC 20 und der C 64. Zur Zeit liegt die Produktion bei 4000 Stück pro Tag. In Spitzenzeiten zum Beispiel vor Weihnachten können bis zu 7000 Stück am Tag gebaut werden.
Lieferengpaß bei Elektronikbauteilen
Einer der hier seinen Job gefunden hat, ist Werksleiter Helmut Joswig. Er war unser erster Gesprächspartner: "Wir fahren die Produktion marktnah. Die langen Lieferfristen, die Commodore zur Zeit hat, liegen nicht an der Faulheit oder an der Unfähigkeit
der Leute in Braunschweig, sondern am weltweiten Mangel an elektronischen Bauelementen. Durch den verstärkten Einsatz der Mikroelektronik in allen Lebensbereichen, von der Waschmaschine bis zum Auto, kann die Produktion mit der Nachfrage nicht mithalten. Konkret fehlt es Commodore im Augenblick an den 64 K Dynamic RAMs. "Alles, was schwarz aussieht und mehr als zwei Beinchen hat, ist knapp auf dem Markt. Vor zwei Jahren haben wir mal geplant, 100 000 Computer weltweit zu verkaufen, heute liegt der Verkauf fast bei einer Million.
Wer soll richtig disponieren und durchplanen ?"
Das Braunschweiger Werk kauft nur sehr wenig Teile selbst ein. Die meisten Einzelteile der Commodore-Computer teilt die zentrale Materialbescbaffungsstelle in Hongkong zu. Dort werden die Leiterplatten
bestückt und fertig nach Deutschland geschickt. Lediglich die Platten für den 8296 d machen die Braunschweiger selbst.
In der Computerszene gibt es immer wieder Beschwerden über die schlechte Qualität von Commodore. Die Ausfallrate soll, speziell bei den 64ern,eit über zehn Prozent liegen. Von Werksleiter Joswig wollten wir genaue Zahlen wissen. "Wir haben bei der Prüfung hier im Werk eine Ausfallrate von einem Prozent. Bei den Reklamationen stellt sich für mich die Frage, was der Kunde mit dem Gerät macht. Da bastelt sich zum Beispiel einer was zusammen, das steckt er dann hinten auf den User-Port drauf, und auf einmal geht das Gerät nicht mehr.
Dann läuft er zum Händler und sagt:"Schau mal, gerade gekauft und schon kaputt". Solche Fälle passieren, aber die regulieren wir großzügig. Die Leute sind manchmal im Wissen um das Produkt nicht so weit, daß sie es so sicher handhaben, wie es an sich sein sollte."
Kurse für Kundendienst
Es stimmt sicher, daß viele Leute ihren Computer nicht richtig kennen, weil sie die Handbücher nicht oder nicht sorgfältig genug gelesen haben. Wer aber versucht, nur mit Hilfe des Handbuchs seinen 64er zu bedienen, wird den Computer, selbst nach geduldigem Studium, auch nicht richtig kennenler-
nen. Das Handbuch ist unvollständig, schlecht geschrieben und lieblos aufgemacht.
Computer, die aus welchem Grund auch immer,ken Pieps mehr von sich geben, werden von Commodore,in einer eigenen Kundendienstabteilung,oder in den Servicezentren der Händler repariert.
"Wir legen Wert auf geschulte Servicemitarbeiter. Trainingskurse dauern zwischen zwei und vier Tage.Diese Kurse sind allerdings nicht kostenlos. Ich meine, wenn ein Händler guten Service bieten will, muß er investieren." Die Ersatzteilversorgung soll in Fluß kommen; es wird auch langsam Zeit. Beim Thema Ersatzteile stellt sich die Frage nach den Reklamationen von selbst. Genaue Zahlen über die Reklamationen konnte oder wollte uns Werksleiter Joswig nicht nennen. Dafür beschrieb er uns das Commodore Marketing-Konzept: "Wir versuchen, möglichst schnell in den Markt hinein zu kommen und hohe Stückzahlen zu produzieren. Unser Ziel sind die Massen. Im Augenblick besteht zum Beipiel noch keine große Nachfrage nach 16-Bit Rechnern. Aber wenn der Markt sie verlangt, haben wir einen. Wir versuchen, immer am Ball zu bleiben, bloß gehen wir damit nicht sofort an die Öffentlichkeit, wie manche andere das tun."
Ein tragbarer IBM-kompatibler PC wird etwa ab Jahresende zu kaufen zu sein. Ab August 84 werden in Braunschweig zwei neue Computer produziert: der auf der Hannovermesse angekündigte Cl6 und der C264. Der als halbprofessioneller Rechner für Familie, Geschäft und Beruf konzipierte C264 wurde umgetauft: er läuft jetzt unter dem Namen PLUS 4.
Was die Preise betrifft, hört man bei Commodore auch nur die Beschwörungsformel der ganzen Branche: Preisstabilität.
Nach dem Gespräch in der Chefetage ging's endlich in die Produktion. Helmut Posch, er sorgt für die technische Zulassung der Geräte, zeigte uns das Werk. Bei Commodore in Braunschweig arbeiten etwa 200 Leute; davon sind 140 direkt in der Produktion beschäftigt.
Reifeprüfung für die 8000er Serie
"Das Braunschweiger Werk hat nur eine geringe Fertigungstiefe", sagte Helmut Posch. Das heißt im Klartext: es ist ein reiner Montagebetrieb, in dem vorgefertigt angelieferte Einzelteile zusammengenschraubt werden.
Die Montagehalle für den 8296 ist im ersten Stock. An einem Fließband schrauben Frauen Leiterplatinen, Laufwerke und Stromversorgung in die Gehäuseunterteile. Vom anderen Bandende her werden die Monitore zusammengesetzt. In der Mitte des Bandes treffen sich Monitor und Unterteil: der Computer ist fertig. Nach einer kurzen technischen Endkontrolle kommen die 8296er auf's Regal. Sie sind jetzt zwar fertig montiert, aber vor dem Ausliefern müssen sie noch Nachreifen, genauso wie ein guter Käse. Bei einen Computern heißt der Reifeprozeß Burn-In. Dabei läuft im Rechner während 24 Stunden ein Prüfprogramm, das immer wieder alle Funktionen durchprüft. Erst nach dieser Prüfung werden die 8296er an die Kunden verschickt.
Direkt neben der Kantine im dritten Stock beginnt das Paradies für jeden VC2O- und C64-Fan. Hier ist das Band für die Heimcomputer. In der Montagehalle sitzen jeweils drei Frauen nebeneinander in einer Reihe und setzen die aus Fernost gelieferten Einzelteile zusammen.
Die Frau links schraubt die Platinen; das Gehäuse-Unterteil;
die Frau rechts die Tastatur in den Gehäuse-Deckel und die Frau in der Mitte schraubt Oberteil und Unterteil zusammen. Der Computer ist fertig. Auf einem Förderband laufen die Geräte zur technischen Prüfung. Farbe, Tastatur und die Soundergeneratoren werden hier einer letzten Kontrolle unterzogen. Hierzu verwendet man keie speziellen Prüfmonitore sondern ganz gewöhnliche Fernsehgeräte, wie sie in jedem Haushalt stehen. Die Prüfungsbedingungen sollen möglichst praxisnah sein. Ist der Check erfolgreich überstanden, verschwinden die Computer in den bekannten Styroporpackungen. Jeder zehnte Computer wird nicht verpackt. Er kommt in die Stichprobenkontrolle im Dauertest. Hier prüft ein Autoprüfprogramm 24 Stunden lang sämtliche Funktionen. Dies ist aber nicht die einzige Kontrolle. Alle im Werk verarbeiteten Platinen haben vor dem Einbau schon zwei Prüfungen hinter sich: den Platinentest und ein 24 Stunden Burn-In.
Service-Ecke
Neben der Produktion gibt es im Braunschweiger Werk noch
eine kleine Reparaturecke. Alle Platinen, die die Eingangstests nicht bestanden haben, werden hier noch einmal geprüft, der Fehler wird gesucht und behoben. Hierher schicken auch die Händler ohne eigene Serviceabteilungen ihre Patienten.
Commodore Deutschland ist im Grunde nur die Zusammenschraubabteilung von Commodore Fernost. Kaum ein Teil, das nicht fertig von dort angeliefert wird. Wer aber denkt, daß hier chinesische Lohnklaven stumpfsinnig am Fließband sitzen und sehnsüchtig auf die fünf Minuten Zwangsturnen warten,hat sich geirrt. Gearbeitet wird zwar am Fließband, aber nicht im Akkord. Die Frauen bestimmen ihr Arbeitstempo selbst. Das Band gibt keinen Takt vor.Von der freundlichen und gelockerten Atmosphäre,die überall in den Montagehallen herrscht, waren wir überrascht. Für ein Lächeln in die Kamera und einen kleinen Flirt mit den Leuten von RUN war immer Zeit.
Dr. Horst Höfflin /Fotos: Thomas Kohnle